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Vorschau auf Verfahren im Jahr 2011
Datum: 12.04.2011
Kurzbeschreibung:
1. Beim 6. Zivilsenat mit seiner Spezialzuständigkeit für Patentrecht, der zugleich Kartellsenat ist, sind 14 Berufungsverfahren anhängig, in denen es jeweils um eine Auseinandersetzung zwischen der in Karlsruhe ansässigen Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) und Arbeitgebern aus dem Bereich der öffentlichen Hand oder aus dem kirchlichen Bereich geht, etwa verschiedene Kliniken, Stadtwerke, Behindertenwerkstätten usw. Die betroffenen Arbeitgeber sind arbeitsvertraglich verpflichtet, ihren Beschäftigten eine Zusatzversorgung zu gewähren und haben sich zur Erfüllung dieser Verpflichtung an der VBL beteiligt. Sie haben diese Beteiligung jeweils gekündigt. Die Satzung der VBL enthält in § 23 Abs. 2 eine Regelung, wonach der ehemalige Beteiligte in diesem Fall eine als „Gegenwert“ bezeichnete Zahlung zu leisten hat. Diese Zahlung soll sicherstellen, dass die Ansprüche der Beschäftigten dieses Arbeitgebers, die während der Zeit seiner Beteiligung an die VBL erworben wurden, später, wenn die Beschäftigten in Rente gehen, bezahlt werden können. Die Arbeitgeber wehren sich gegen diese „Gegenwert“-Forderung und machen geltend, die betreffende Klausel sei so ausgestaltet, dass sie die VBL einseitig begünstige und zu weitaus überhöhten Zahlungsverpflichtungen führe. Zu diesem Komplex hat der für das Versicherungsrecht zuständige 12. Zivilsenat bereits zwei Entscheidungen verkündet (12 U 1/10 und 12 U 224/09). Der 12. Zivilsenat hat die § 23 Abs. 2 der Satzung der VBL als unwirksam angesehen. Die Entscheidungen sind allerdings nicht rechtskräftig. Der 12. Zivilsenat hat die Revision zugelassen, die auch eingelegt worden ist. Die Befassung des 6. Zivilsenats - des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe - mit diesem Thema erklärt sich daraus, dass sich einige der betroffenen Arbeitgeber auch auf das Kartellrecht stützen. Sie machen geltend, bei der VBL handele es sich um ein marktbeherrschendes Unternehmen und sehen in § 23 Abs. 2 der Satzung der VBL einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung. Wann der 6. Zivilsenat über diese Fälle entscheidet, ist derzeit noch nicht abzusehen. Termine zur mündlichen Verhandlung sind noch nicht bestimmt. (6 U 140/09, 6 U 73, 92, 110, 113, 114, 115, 116, 130, 131, 132, 183, 193 und 194/10.)
Auch beim 6. Zivilsenat sind derzeit mehrere Berufungsverfahren anhängig, in denen eine Patentverwertungsgesellschaft (IPCom GmbH Co. KG) Ansprüche wegen Patentverletzung gegen namhafte Hersteller von Mobilfunkgeräten sowie - in einem Fall - die Betreiberin eines Mobilfunknetzwerks geltend macht. Die Klägerin hat nach ihrer (teilweise streitigen) Darstellung von einem bekannten deutschen Technologieunternehmen (Robert Bosch GmbH) ein umfangreiches Patentportfolio erworben und ist als Inhaberin der zu diesem Portfolio gehörenden Patente im Patentregister eingetragen. Zu dem Patentportfolio gehören u.a. auch sogenannte standard-essentielle Patente, also solche Schutzrechte, die beachtet werden müssen, um die Vorgaben des jeweiligen Mobilfunkstandards zu erfüllen. Der Senat hat durch Urteil vom 23.03.2011 (6 U 66/09) in einem Rechtstreit zwischen der ursprünglichen Inhaberin des Patentportfolios (Bosch) und einem der nunmehr von der Klägerin in Anspruch genommenen Herstellern von Mobilfunkgeräten (Nokia) gegenseitige Ansprüche der dortigen Parteien aus einem Vorvertrag verneint. An diesem Rechtsstreit war die jetzige Klägerin als Streithelferin und Berufungsführerin beteiligt. Die Patente, die nach dem Vortrag der klagenden Patentverwertungsgesellschaft in den jetzt noch beim Senat anhängigen Verfahren verletzt sein sollen, betreffen u.a. Mobilstationen sowie Verfahren, die sich auf die Verbindung zwischen einer Mobilstation und einem Netzwerk oder auf ein Sprach- und Kanalcodierungsverfahren beziehen. Die Beklagten bestreiten jeweils eine Patentverletzung. Außerdem erheben sie weitere Einwendungen, die u.a. auf Kartellrecht sowie auf Erklärungen der ursprünglichen Patentinhaberin im Zusammenhang mit dem jeweiligen Mobilfunkstandard gegenüber der ETSI (European Telecommunications Standard Institute). Über den in einigen Fällen erhobenen Einwand der fehlenden Schutzfähigkeit des Klagepatents hat der Senat nicht zu entscheiden. Insoweit wird zu prüfen sein, ob eine Aussetzung des Verletzungsprozesses bis zur Entscheidung im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren in Betracht kommt. Die beim Senat anhängigen Verfahren können für den Mobilfunkmarkt von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sein. Das zeigen nicht nur die hohen Streitwerte, sondern auch der Umstand, dass sich an einzelnen Verfahren zahlreiche namhafte Handyhersteller als Streithelfer beteiligen.
2. Aus dem Geschäftskreis des 9. Zivilsenats in Freiburg ist kurz über den Stand des Verfahrens Bashkirian Airlines gg. Bundesrepublik Deutschland - 9 U 177/06 zu berichten. Gegenstand des Verfahrens sind im Wesentlichen Ansprüche der Klägerin auf Schadensersatz wegen des zerstörten Flugzeugs (ca. 3,3 Mio. USD) und auf Freistellung wegen Ansprüchen der Hinterbliebenen der getöteten Passagiere und Besatzungsmitglieder u.a. Im Wege der Widerklage verlangt die beklagte Bundesrepublik, sie von Ansprüchen, die durch die Halterin des anderen beteiligten Flugzeugs (DHL) und weitere Geschädigte gegen sie erhoben werden, in Höhe von 60 % freizustellen. Durch Grund- und Teilurteil vom 27.07.2006 hat das Landgericht Konstanz der Klage im Wesentlichen (teilweise dem Grunde nach) stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Nach Unterbrechung des Verfahrens wegen Insolvenz der Klägerin hat der Senat im Berufungsverfahren durch Beweisbeschluss vom 17.06.2008 die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet. Gegenstand der Begutachtung sind insbesondere das Verhalten der Flugzeugbesatzung und des Fluglotsen, die Bedeutung des Kollisionswarnsystems und die Frage der Vermeidbarkeit des Unfalls. Nach mehreren Zwischenentscheidungen (Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen, Rechtsbehelfe gegen die Vorschussanordnung bez. der Gutachtenskosten) wurden die Akten im Februar 2011 an den Sachverständigen versandt. Es wird mit einem längeren Zeitraum für die Erstellung des Gutachtens gerechnet.
In einem weiteren Verfahren (AXA-Versicherungen gg. S. - 9 U 199/08) macht die klagende Haftpflichtversicherung des Schweizer Flugsicherungsunternehmens Skyguide AG aus abgetretenem und übergegangenem Recht u.a. Unterhalts- und Schmerzensgeldansprüche der Hinterbliebenen der DHL-Piloten gegen den Insolvenzverwalter der Bashkirian Airlines geltend. Durch Urteil des Landgerichts Konstanz vom 18.09.2008 wurde die Klage abgewiesen. Entscheidungen im Berufungsverfahren sind noch nicht ergangen.
3. Beim 12. Zivilsenat mit seiner Spezialzuständigkeit für Ansprüche wegen Amtspflichtverletzung ist Termin zur Verhandlung in einem Verfahren bestimmt, in dem ein Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung geltend gemacht wird, weil die Klägerin im Zusammenhang mit der Einführung der Umweltzone in Karlsruhe ein anderes Fahrzeug habe erwerben müssen. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Termin: 17.05.2011, Aktenzeichen 12 U 69/11.
Ein weiterer Amtshaftungsfall des 12. Zivilsenates betrifft Entschädigungs- bzw. Schadensersatzansprüche der Inhaberin eines Schuhgeschäftes gegen eine Gemeinde für anlässlich von Straßenbauarbeiten erlittene Ertragseinbußen in der Zeit seit Mai 2010. Termin: 5.7.2011, Aktenzeichen 12 U 74/11.
4. Beim 17. Zivilsenat, dem Bankensenat, mit seiner Spezialzuständigkeit unter anderem für Rechtsstreitigkeiten aus Bankgeschäften, Börsengeschäften, Kapitalanlageberatung und -vermittlung stehen folgende Verfahren zur Verhandlung und Entscheidung an:
a) Berufungsverfahren aufgrund von Schadensersatzklagen gegen die Deutsche Bausparkasse Badenia AG
Die Kläger, Erwerber sogenannter “Schrottimmobilien“, werfen der Beklagten Aufklärungspflichtverletzung im Zusammenhang mit der Finanzierung und den Risiken des jeweiligen Anlageprojektes vor.
Der 17. Senat hat im Jahre 2010 insgesamt 135 Verfahren gegen die Badenia erledigt, davon 110 durch Vergleich (in der Regel nach Terminierung und Verhandlung).
Insgesamt sind über 540 Verfahren eingegangen. Im März wurde die Erledigung des 500. Verfahrens senatsintern feierlich begangen. Die noch offenen knapp 40 Verfahren sind fast alle terminiert (nächste Termine 10. Mai, 12. Juli, 27. September, 25. Oktober).
Der Senat geht davon aus, den Badenia-Komplex 2011 abschließen zu können. Allerdings sind in den letzten Monaten noch immer Verfahren beim Landgericht Karlsruhe eingegangen.
b) Zur Verhandlung steht am 19.04.2011 ein Fall an, in dem es um die Wirksamkeit einer Klausel in Banken-AGB geht, nach der bei einem Anschaffungsdarlehen als Bearbeitungsgebühr 2 % aus dem Darlehensbetrag, mindestens jedoch 50,00 € verlangt werden. Das Landgericht hat in der Verwendung dieser Klausel eine unangemessene Benachteiligung der Bankkunden gesehen, da die damit abzugeltenden Tätigkeiten der Bank wie u.a. die Bonitätsprüfung des Kunden überwiegend im Interesse der Bank erfolgten (17 U 192/10).
c) Im Laufe des Jahres sind weitere Verhandlungen zu erwarten in Verfahren, in denen es um den Erwerb von Zertifikaten der Emittentin „Lehmann Brothers Treasury“ Co. B.V. geht (nächster Termin 24.05.2011). Die Verfahren betreffen Schadensersatzforderungen von Käufern gegen Banken und Sparkassen wegen fehlerhafter Anlageberatung beim Verkauf von Zertifikaten der Emittentin „Lehmann Brothers Treasury Co.B.V“, die im Jahre 2007 erworben wurden. Am 15.09.2008 beantragte die Muttergesellschaft, die amerikanische Investmentbank Lehmann Brothers Holding Inc. Gläubigerschutz, am 08.10.2008 wurde über das Vermögen der niederländischen Lehmann Brothers Treasury Co.B.V. das Insolvenzverfahren eröffnet. Dadurch erlitten die Anleger einen Totalverlust und wollen nun den Kaufpreis zurück. Sie werfen den beklagten Banken und Sparkassen unter anderem vor, nicht auf das Risiko des Totalverlustes hingewiesen und nicht über sogenannte Rückvergütungen (Vertriebsvergütungen der Banken für die Vermittlung der Zertifikate) aufgeklärt worden zu sein.
d) Beschäftigen wird sich der Senat auch mit der Klage einer Rechtsanwältin gegen ein Karlsruher Unternehmen auf Entschädigungsleistung gem. § 15 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) wegen einer nicht geschlechtsneutral formulierten Stellenanzeige: „Geschäftsführer....gesucht“ (Az. 17 U 99/10).